
Wer bin ich, und wo gehöre ich hin? Diese Fragen begleiten uns ein Leben lang. Identität ist kein starres Etwas, das wir ein für alle Mal finden und festhalten können. Sie ist ein Prozess, ein ständiges Werden und Verändern. Wir suchen unseren Platz in der Welt, formen ihn aktiv mit und entdecken dabei immer wieder neue Facetten unseres Selbst.
Die Symbolik von Jaume Plensas »Anna«
Zu Beginn des Jahres besuchten wir den Skulpturenpark Pilane an der Küste in Bohuslän, Schweden. Jetzt im Winter gibt es dort nur die Grabfelder aus der Eisenzeit zu sehen – und die beeindruckende Großplastik »Anna« des spanischen Künstlers Jaume Plensa. Wenn wir auf die enorme Skulptur blicken, sehen wir das Gesicht eines Mädchens, aus der Nähe klar und präzise, aus der Entfernung verzerrt. Diese Perspektive erinnert uns daran, wie Identität funktioniert. Aus der Nähe betrachten wir uns selbst oft mit scharfem Blick, analysieren unsere Ecken und Kanten. Doch je mehr Distanz wir gewinnen, desto mehr verschwimmen die Konturen und verbinden sich mit dem Raum um uns herum.
Plensas Werke, einschließlich »Anna«, laden zur Reflexion ein und thematisieren universelle Aspekte der menschlichen Erfahrung wie Träume, Erinnerung und Identität. Die geschlossenen Augen der Skulptur symbolisieren einen Moment der inneren Einkehr und Stille. Sie laden die Betrachter dazu ein, innezuhalten und über ihre eigene Verbindung zur Welt nachzudenken. Es ist, als ob »Anna« uns ein stilles Gespräch anbietet: Wer bin ich, wenn ich die Augen schließe und mich selbst in der Welt spüre?
Die Position der Skulptur im Pilane Skulpturenpark – umgeben von der kargen, felsigen Landschaft und mit Blick auf die offene Weite – verstärkt ihre spirituelle und poetische Wirkung. Sie wird zu einem markanten, aber zugleich subtilen Bestandteil der natürlichen Umgebung. Hier verbindet sich das Individuelle mit dem Universellen: »Anna« ist zugleich ein Porträt und ein Symbol, ein Ankerpunkt für die Betrachtung von Identität als etwas, das stets im Austausch mit der Welt steht.
Besonders faszinierend ist die Verbindung zwischen »Anna« und den frühgeschichtlichen Grabfeldern, die ebenfalls im Pilane Skulpturenpark zu finden sind. Diese jahrtausendealten Spuren der Menschheit erinnern uns daran, dass Identität auch eine Dimension der Geschichte hat. Wie die Gräber erzählen Plensas Werke Geschichten über die Menschheit, über Erinnerung und Vergänglichkeit. »Anna« steht in diesem Kontext wie ein leuchtendes Zeichen der Kontinuität, das uns daran erinnert, dass wir Teil einer langen Kette von Leben sind, verbunden über die Zeiten hinweg.
Plensas Skulptur zeigt eindrucksvoll, dass Identität nicht isoliert existiert. Sie steht immer in Beziehung zu anderen Menschen, Orten und Erfahrungen. Wir sind Teil eines großen Ganzen, geformt durch unsere Umwelt und doch einzigartig. Wir sind aufgefordert, die Perspektive zu wechseln – nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf die Welt, in der wir leben.
Mein Platz in der Welt
Identität ist kein Ziel, sondern ein Weg. Wir sind nicht nur das, was uns geprägt hat, sondern auch das, was wir daraus machen. Jeder von uns hat die Möglichkeit, seinen Platz in der Welt zu gestalten – durch unsere Entscheidungen, unsere Beziehungen und unseren Blick auf die Welt.
Wie Plensas »Anna« können wir lernen, die Perspektive zu wechseln, unsere Freiheit zu nutzen und die Unsicherheiten des Lebens als Chancen zu sehen. Identität ist kein fertiges Bild, sondern ein lebendiges Kunstwerk, das wir durch unsere Taten und Gedanken gestalten. Unser Platz in der Welt ist nicht nur ein geografischer Ort, sondern auch ein innerer Raum, den wir mit Sinn und Authentizität füllen können.
Indem wir uns auf diese Reise zu uns selbst begeben, finden wir nicht nur heraus, wo wir hingehören, sondern auch, wer wir wirklich sind. Der Ort, an dem wir uns selbst erkennen, kann überall sein – in der Begegnung mit anderen, in einem neuen Umfeld oder in einem stillen Moment der Reflexion.
Ich möchte Sie ermutigen, neugierig zu bleiben. Erkunden Sie, wer Sie sind und wer Sie sein können. Lassen Sie sich auf die Welt und die Menschen ein, die Sie umgeben. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Platz in der Welt nicht vorgegeben ist, sondern von Ihnen selbst geformt wird. Und denken Sie daran: Die Reise zu sich selbst ist eine der spannendsten, die das Leben zu bieten hat.
Ihr
René Märtin
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