Der Arzt Hans Kanthak hat während des Krieges ein außergewöhnliches fotografisches Werk geschaffen.

Ostfront,1943: Ein Arzt macht Fotos – doch wir sehen hier eine andere Fotografie, mit einer gänzlich anderen Intention, anders als die frühen Propaganda-Bilder des Lothar-Günther Buchheim oder die Kriegsfotos des Nazifotografen Richard Muck.

Was auffällt, ist die anthropozentrische Perspektive der Bilder des Hans Kanthak (1910 – 1998). Der Mensch steht im Mittelpunkt seiner Fotografien und Humanitas drückt den Auslöser. Beachtenswert ist, dass wir hier keine Geschichts‑, Gegenstands- oder Propagandafotografie vorfinden. Es ist auch nicht die hinlänglich bekannte und in der Wehrmachtsausstellung viel zitierte situative Landserfotografie – Fotografien, Momentaufnahmen, die aus einer unmittelbaren Emotionalität und teilweise aus dem Verborgenen heraus entstanden sind. Die zurückgebrachten, heimgeschmuggelten, oft erst nach Jahren entwickelten Fotos des Frontsoldaten sind immer spontan als Akt des Triumphes, der Erschütterung, des Entsetzens, der Ungläubigkeit entstanden – je nach dem, auf welcher Ebene die Ereignisse den Landser getroffen haben.

Hans Kanthak folgt mit seiner Kamera, ähnlich wie die amerikanische Fotojournalistin Dorothea Lange in den 20er und 30er Jahren, den Gesichtern der Menschen. Jedes von ihm festgehaltene Menschenbild ist eines, auf dem das Gesicht, die Gesichter die bedeutende Rolle spielen. Seine Sujets, auf diese Art und Weise vollkommen entheroisiert, werden zur Ikonographie der gegenseitigen Zuneigung. Diese aus dem Nachlass geborgene Kunst von Hans Kanthak soll nun eine adäquate Präsentation erhalten, die der Fotograf, Maler und Arzt zu Lebzeiten nie zugelassen hat – aber deren posthume Realisierung er durchaus für angebracht hielt.
(Aus dem Exposé zum Buchprojekt.)
(2002)