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7. Juli 2008 by René Märtin

»Aufgebockter Rost vor pittoreskem Blau«: Irland 1996 bis 1999

Irland! Die Eindrücke, die ich von Kurztrips aus Irland mitbrachte, hallten noch lange nach. Es entstanden viele Arbeiten, die sehr unterschiedlich waren. Im Grunde lag das an der Wirkung von so gegensätzlichen Orten wie der irischen Hauptstadt und der nicht weit von Dublin entfernten Halbinsel Howth, die vielen sicher vom »Ulysses« her bekannt ist. Einige Texte wurden übersetzt und von einem irischen Literaturmagazin rezensiert.

Ireland's Eye © René Märtin
Ireland’s Eye © René Märtin

In sämtlichen »irischen« Texten spielt der Dreiklang Vergänglichkeit – Ohnmacht – Sehnsucht eine große Rolle, auch wenn die Sujets der Gedichte nicht unterschiedlicher sein könnten. In den Jahren 1996–1999 entstanden Texte, deren gemeinsames Merkmal eine traurige Melodie und nüchterne Hoffnungslosigkeit ist:

»Schnee fiel am ersten Morgen,
nass, kalt und grau
und eisiger Wind blies
durch O’Connell Street
Der erste Morgen –«

(aus: Drei Tage)

»Draußen dämmerte es bereits
und der Milchmann stellte den
Korb auf die oberste Treppenstufe
und nahm sich das Geld, das
unter der Fußmatte lag

Leise klirrten die Milchflaschen
aneinander, während du
weinend von mir abrücktest«

(aus: Ahnungslos – Last Day In Ireland)

Es ist klar: Diese Texte sind solche, die von Vergänglichkeit und Einsamkeit handeln, wobei sich der Abschied als stärkstes Motiv durchsetzt. Uninteressant ist die Frage nach autobiographischer Relevanz, viel wichtiger ist die Frage, ob es gelingt, die in ihrem Handeln und Leiden beschriebenen Figuren als Stellvertreter anzunehmen.

Eine ganz andere Sprache übe ich mit den Texten, die wohl am ehesten der irischen Fabelwelt, respektive der immer noch sehr lebendigen Vorstellungskraft der Iren entstammen:

»Mutter,
ich traf eine Frau,
unten am Fluss –
sie war ganz weiß und
jung und schön«

(aus: Die Banshee)

Bereits der Titel und der erste Vers zeigen auf, wohin die Reise geht: Abermals ist der Text vom Vergänglichen bestimmt, gewiss auch von Ohnmacht, denn wir wissen ja, wohin die Begegnung mit einer Banshee führt – entweder zum eigenen Tod oder zu dem eines nahen Verwandten.

Mag sein, daß diese Texte entstanden sind, weil ein Kontrapunkt notwendig geworden war. Eine Antwort auf die in den anderen »Irlandtexten« stetig hervorbrechenden Schmerzensäußerungen, die – natürlich – irgendwann unerträglich werden müssen. Eine Antwort, deren Sicht anders ist, distanziert und ausreichend fremd.

Doch das Spiel mit der Mythologie brachte auch eher kuriose Texte zu Tage:

»Der Himmel rollte im
schmutzigem Blau landwärts und
Möwen segelten stumm Richtung
Ireland’s Eye, während Männer
nasse Taue aufrollten,
kebbelige Boote antäuten und
blicklos auf den Boden spuckten«

Dieser Vers stammt aus dem Gedicht Vor Ireland’s Eye, das uns einen Fischer vorführt, der eine ungute Vorahnung hat – die ihm aber von den anderen Fischern nicht geglaubt wird ...

Die Distanz ist da und hier zeigt sich auch der Einfluss des irischen Dichters Patrick Galvin.

Howth © René Märtin
Howth © René Märtin

Schließlich sind noch einige Texte aus »nebensächlichen« Beobachtungen heraus entstanden, die sich gewissermaßen am Rande der anderen Arbeiten »aufgedrängt« haben.

Einmal fällt der Blick auf den Rettungskreuzer im Hafen von Howth:

»Aufgebockter Rost vor pittoreskem
Blau, Howth Harbour am Vormittag«

(aus: AHOGADOS – The Drowned Ones)

Ein anderes Mal ist es die alltägliche Tragödie, wie sie sich in den Dubliner Trabantensiedlungen, etwa in Ballymun, immer wieder abspielt:

»Ich hatte sie ein Jahr lang nicht
gesehen und dann trafen wir uns
Der Polizeibericht stellt fest,
das Bett war noch warm«

(aus: Colleen)

Und schließlich kamen mir abermals die Fischer in den Sinn, diesmal nicht im kurios-diffusen Licht des irischen Feenglaubens, sondern in einem eher düsteren Ton, der – nach der ersten öffentlichen Lesung – für Schreckgelächter und Verwirrung gesorgt hat. So auch beim Redakteur der Rundschau, der die Quintessenz des Textes nüchtern auf den Punkt bringt: »Dann das Gedicht Fisch: ein Ich-Erzähler beschwert sich, dass eine »Sie« ihm Fisch gebraten habe. Wie gefühllos, wo doch sein Bruder mit dem Fischtrawler Poseidon II untergegangen sei.«

Typoskript © René Märtin
Typoskript © René Märtin

Titel (Auswahl)

Nachts | Drei Tage | Ahnungslos (Last Day In Ireland) | Vor Ireland’s Eye | Die Banshee | Als wir unter den Rhododendren lagen | AHOGADOS – The Drowned Ones | Ikarus‹ Tochter | Colleen | Endstation | Fisch

Filed Under: Archiv

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